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Im Schlaf zwischen Spannung und Entspannung

Die Schlafforschung, aber auch unsere eigenen Wahrnehmungen widerlegen die Ansicht vom Schlaf als reine Entspannung. Zur Verarbeitung unserer Tageserlebnisse gehen wir im Schlaf auch durch Krisen.

Jeder kennt ihn, und doch ist er für die Wissenschaft der große Unbekannte: Der Schlaf. Er ist für das Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit des Menschen überaus bedeutsam - dennoch ist nur ein Teil der Schlafphase auf Energiesparen des Organismus eingestellt; während des Träumens dagegen steigen Körpertemperatur, Herz- und Muskelfrequenz extrem an, der Organismus schaltet auf Verbrauch, sagte Stanislaw Kubicki, Professor an der neurochirurgisch-neurologischen Klinik der freien Universität Berlin, auf dem Imago-Mundi-Kongreß mit dem Generalthema „Veränderte Bewusstseinszustände, Träume, Trance, Ekstase“ in Innsbruck.

Im Übergang zwischen Traumschlaf (REM-Phase) und Nichttraumschlaf ist der Organismus einer extremen Belastung ausgesetzt, weshalb in dieser Phase beispielsweise Angina Pectoris-Anfälle häufig vorkommen, um so mehr, wenn diese Übergänge oft und sehr rasch erfolgen. Im Laufe der Nacht schaukelt sich die Aktivität im Schlaf immer mehr auf; dies dürfte ein Grund dafür sein, daß Menschen, die der Tod im Schlaf überrascht, meist in den frühen Morgenstunden sterben.

Dieses Schwanken von Entspannung und Spannung auch im Schlaf müsse bedeutsame Gründe haben, wenn die Natur sogar die Krise in Kauf nehme, doch kenne man diese Gründe bis heute nicht, sagte Kubicki. Jedenfalls wurde festgestellt, daß alle höheren Tiere, sogar bis hin zu den höherentwickelten Echsen, träumen und daher diese Phänomene kennen.

Vom Kurzzeit- ins Langzeitgedächtnis

Während des Traumes findet zwischen den beiden Hirnhälften ein so reger Austausch statt wie niemals während des Wachzustandes. Dies läßt vermuten, daß während dieser Zeit ins Gehirn unauslöschbare Inschriften ("Engramme") geschrieben werden; auch scheint es, daß während des Traumes entschieden wird, was aus dem Kurzzeitgedächtnis im Langzeitgedächtnis abgespeichert wird.

Aus Höhlen- und Bunkerversuchen ist bekannt, daß Menschen, die man von jeglicher äußeren Zeitstrukturierung abkoppelt, ein neues Zeitgefühl, meist um einen 25-Stunden-Rhythmus, entwickeln. Sogar ein natürlicher 64-Stunden-Rhythmus wurde bei einem Probanden festgestellt. In diesem Fall verlängerte sich einfach jede Phase des Wach­ und Schlafzustandes entsprechend. Der Betreffende benötigte nicht mehr Nahrung als bei einem gewöhnlichen 24­Stunden-Tag, weshalb er auch stark an Gewicht verlor. Ebenso gibt es auch "Schlafverkürzer", deren Rhythmus sich etwa bei 12 Stunden fixiert.

Eine plausible Erklärung für unterschiedliche Körper- und Tagesrhythmen liefert die Mathematik: Wenn die äußere und die innere Uhr gleich schwingen würden, könnte es zu einem lebensgefährlichen Hochschaukeln der Höhen und Tiefen kommen. Um diese mögliche Krise zu vermeiden, sucht jeder Organismus seine eigene innere Uhr.

Die Körpertemperatur macht den Rhythmuswechsel etwa bis 28 Stunden mit und koppelt sich dann vom Wach-Schlaf-Rhythmus ab.

Der Organismus verfügt noch über andere Rhythmus-"Schrittmacher": Zum Beispiel erfolgt die Ausschüttung von Wachstumshormonen nur während der Nacht. Diese Schrittmacher sind alle aufeinander eingespielt, können aber voneinander entkoppelt werden, worauf der Körper unterschiedlich sensibel reagiert.

Diese Erfahrung machen Fernreisende, die im Durchschnitt acht Tage benötigen, um sich auf den geänderten Tagesrhythmus in einer anderen Zeitzone einzustellen.

Nicht nur Menschen, sondern auch Tiere benötigen diese Anpassungszeit: Wird eine kalifornische Auster nach Florida verfrachtet, wird sie innerhalb der ersten acht Tage jämmerlich verhungern , und austrocknen, weil sie anders als im heimatlichen Meer bei Ebbe die Muschel öffnet und bei Flut, wenn es Futter gibt, schließt.

Die verschobene Zeit

Es ist nicht nur leichter, die Zeitverschiebung bei einem Flug nach Amerika als zurück nach Europa zu verarbeiten weil dann wegen der Erdbewegung drei Stunden äußere Zeit nur einer Stunde innerer Zeit entsprechen, sondern es ist aus dem gleichen Grund leichter, als Schichtarbeiter von der Nachtschicht zur Frühschicht zu wechseln als zu einer Abendschicht.

Während dies aber in den entsprechenden Berufen bereits berücksichtigt wird, wehren sich die meisten Gewerkschaften gegen die Erkenntnis, daß es leichter ist, vier Wochen lang eine Nachtschicht durchzuhalten als im Zwei-Tages- oder Wochenrhythmus zu wechseln, weil sich dann der Organismus nie anpassen kann.  

Quelle: unbekannt